In Sachen
Survival
beim Heer

Uniform anziehen und ab ins Feld. Zehn Jugendliche hatten im Rahmen eines Survival Camps am Truppenübungsplatz Allentsteig die seltene Gelegenheit, ein Wochenende lang Heeresluft zu schnuppern. Wir haben sie dabei begleitet.

Text: STEFAN TESCH
Fotos: SEBASTIAN FREILER

Feldschuhe probieren. Die Schuhe sind die Achillesferse des Soldaten. Drücken sie, kann er nicht beschwerdefrei marschieren – ein Handicap im Gelände.

In der Bekleidungskammer. Die ersten Minuten in der neuen Bundesheer-Uniform fühlen sich für die meisten Teilnehmer noch sehr ungewohnt an.

Richtung Wildnis. Der Tag beginnt mit einem Marsch von der Kaserne ins Feldlager tief im Wald. Die nächste Nacht verbringen alle im Freien.

„In Allentsteig ist es immer schön warm und sonnig.“ Gruppenkommandant Oberstabswachtmeister Martin Wurz begrüßt die frisch eingerückten Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kräftiger Stimme. Seinem verschmitzten Lächeln nach zu urteilen, mag man ihm aber nicht ganz glauben. Allentsteig? Warm und sonnig? Eher das Gegenteil ist der Fall, aber egal. Jetzt müssen aus den „Zivilisten“ erstmal „Soldatinnen und Soldaten“ werden.

Erster Schritt: Ab in die Bekleidungskammer, T-Shirt, Jeans und Hoodie gegen die olivgrüne Uniform tauschen. Anschließend Essen fassen und sich für den kommenden Tag ausruhen und vorbereiten. Frühmorgens an Tag zwei wird es dann ernst: „Gepäck schultern. Reihe mir nach! Marsch!“, befiehlt der Ausbildner und die Gruppe verlässt die Kaserne am Truppenübungsplatz Allentsteig in Richtung Feldlager. Und das liegt natürlich nicht nebenan, sondern irgendwo in den Tiefen des Waldes.

Was dort auf die gespannten Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren zukommt, ist Abenteuer pur. In den kommenden rund 30 Stunden tauchen sie tief in den militärischen Alltag ein und lernen mit dem Bundesheer eine ganz neue Welt kennen. Aufgebaut ist das Survival Camp in sechs Stationen – los geht’s!

 

Station 1: Schießen

Ist es schwierig, mit dem Gewehr eine Scheibe von elf Zentimetern Durchmesser auf 50 Meter Entfernung zu treffen? „Nein“, antwortet Katharina Niederwieser, die auf Anhieb gleich alle fünf Ziele erwischt hat. „Wichtig ist, ganz ruhig zu bleiben und sich zu konzentrieren“, so die Schützin, die schon Erfahrungen aus dem Bogenschießsport mitgebracht hat.

Für die meisten anderen ist es das erste Mal, dass sie mit einer Waffe scharf schießen. Das Kleinkaliber-Gewehr, wie es etwa auch beim Biathlon verwendet wird, funktioniert ein wenig anders als das Sturmgewehr des Bundesheeres: Manuelles Nachladen nach jedem Schuss, dafür kein Rückstoß und kein ohrenbetäubender Knall.

Koordination ist gefragt, denn es gilt gleichzeitig kontrolliert zu atmen und das Ziel durch die Visierung des Gewehrs zu erspähen. „An nichts anderes denken, einfach abschalten“, so lautet das Erfolgsrezept von Konstantin, der nicht ganz auf die Trefferquote von Katharina kommt. Vier von fünf Scheiben sind aber auch nicht schlecht.

Station 2: Seilsteg

„Die Brücke wurde gesprengt, wir müssen das Gewässer daher nun per Seilsteg überwinden“, empfängt Kurskommandant und Organisator Oberstleutnant Julius Schlapschy, die Teilnehmer auf der bewaldeten Anhöhe vor dem Teich. Er erntet fragende Blicke, doch schnell legen alle Klettergurte an. Es gilt das Gewässer mithilfe von zwei parallel übereinander gespannten Kletterseilen zu überwinden.

30 Meter Balance pur für jeden Einzelnen. „Zuerst ist es noch stabil, doch je weiter man sich zur Mitte hin vorarbeitet, desto wackeliger wird es. Man denkt, man fällt gleich ins Wasser“, schildert Chiara-Alena, nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hat. Ihr Erfolgsrezept klingt einfach: Eine möglichst große Körperspannung, die Arme und Beine weit auseinander halten. Florian hat kurzzeitig seinen festen Halt am Seil verloren und ist ins Wasser abgerutscht.

Trotz nasser Füße hat er es gleich nochmal probiert. „Nicht aufgeben ist mein Motto“, fügt er lässig hinzu. Organisator Julius Schlapschy – ein erfahrener Heereshochalpinist – ist begeistert vom Ehrgeiz der Teilnehmer: „Das ist ein Erlebnis, an das sie sich noch lange erinnern werden. Für die meisten ist das etwas völlig Neues.“

Station 3: Zeltlager aufbauen

Geschafft! Das Zelt steht, doch sogleich folgt die Ernüchterung: Das Ofenrohr ist falsch herum montiert. Ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen, denn das Rohr dient als Stütze für die gesamte Behausung. Also zurück an den Start. „Ich habe mir das Zeltaufstellen viel leichter vorgestellt. Die Dinger haben ein unglaublich hohes Gewicht“, berichtet Katharina Kruder mit verschwitztem Gesicht, nachdem schließlich doch alle drei Gruppenzelte – richtig! – auf der Waldlichtung aufgestellt waren.

Bei dieser Aufgabe ist Teamarbeit gefragt. Nur wenn alle sechs Personen koordiniert arbeiten, steht das Zelt auch gerade. Die Teilnehmer lernen, sich aufeinander zu verlassen, langsam wächst die Gruppe zusammen.
David verleiht den Zelten noch die wichtigste Ausstattung für die bevorstehende kalte Nacht: Den kleinen Metallofen. Bald schon wird er rot glühen und die fünf Jungs und fünf Mädels wärmen. Ein Ring aus in den Boden geschlagenen Holzstäben verhindert, dass Schlafsäcke zu nahe kommen und sich daran entzünden.
Fazit am nächsten Morgen: Die Nacht verlief nicht ganz ruhig. Die eigentlich erwarteten Wildschweine waren zwar nicht zu sehen, allerdings störte Wolfsgeheul die Ruhe. Wolfsgeheul!?

Station 4: Kochen im Felde

Zum Bäcker gehen kann jeder. Im Survival Camp aber ist man sein eigener Brotbackmeister. Mehl und Semmelbrösel (notfalls auch Sägemehl), dazu ein wenig Wasser und alles gut durchkneten. So lautet das Rezept für einfaches Brot, das über ein Stöckchen gewickelt am Lagerfeuer innerhalb weniger Minuten knusprig wird. Für Feinspitze: Wurst- und Käsestücke sowie Zwiebeln und Karotten in den Teig einkneten. „Wenn ich einmal kein Brot daheim habe, weiß ich jetzt, wie ich es selbst machen kann“, freut sich David.

Dazu gibt’s Kaffee aus gerösteter, zerstoßener Gerste. „Schmeckt gar nicht so schlecht“, stellt Niklas fest. Damit Kochen im Feldlager überhaupt möglich ist, braucht es Feuer. Und das kommt diesmal nicht aus dem Feuerzeug. Es geht auch anders. Mit dem Messer schabt Florian Magnesiumspäne vom „Feuerstarter“ ab und erzeugt mit dessen Rückseite Funken. Damit entzündet er nach einigen Versuchen den Zunder aus trockenem Gras, Rindenstückchen und Taschentüchern. Geschafft! Die Flammen lodern und schon bald köchelt darüber eine selbst gemachte Suppe aus Karotten, Erdäpfeln, Zwiebeln und Wurst.

 

Station 5: Orientierungslauf

„Einmal haben wir uns verlaufen, aber den Umweg haben wir gleich im Laufschritt bewältigt“, erzählt Jakob, nachdem er mit seinen Kameraden als zweites Team ins Ziel gekommen ist. Während des Orientierungslaufes mussten sie gut versteckte Punkte im Gelände zwischen Feldlager und dem Kasernengelände finden.

Als Hilfsmittel war nur eine Skizze erlaubt – kein Smartphone und auch kein GPS! Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, denn alle drei Teams sind nahezu zeitgleich nach eineinviertel Stunden erfolgreich zurückgekehrt. Zur Kontrolle dient eine Zwickzange mit unverwechselbarem Muster, die jedem Punkt beiliegt. Am Schluss geben die Orientierungsläufer ihre gezwickten Kärtchen ab.

Niemand hat geschummelt, daher haben alle drei Teams gewonnen. Oberstabswachtmeister Martin Wurz, Gruppenkommandant und Organisator des Orientierungslaufs: „Es was toll, mit den Jugendlichen zu arbeiten. Ich bin von ihrer Leistungsbereitschaft und von ihrem Engagement begeistert.“

 

Station 6: Erste Hilfe

Um verletzte Kameradinnen und Kameraden rasch aus dem Schussfeld zu transportieren, gib es viele Varianten. Sie zu schultern ist eine davon, doch das will gelernt sein. Ein gekonnter Griff ans Bein und gleichzeitig die Hand über die eigene Schulter ziehen. Dafür ist eine Menge Muskelkraft notwendig, und einige tun sich schwer, das holprige Terrain macht jeden Schritt zu einem Balanceakt.

„Selbst- und Kameradenhilfe“ nennt sich die militärische Art, Erste Hilfe zu leisten. Dabei steht effektives Handeln, womöglich unter feindlichem Feuer, im Vordergrund und es darf schon mal rustikal zugehen. Antonia, die derzeit die Sanitäterausbildung beim Roten Kreuz absolviert, zieht einen Vergleich: „Statt ein gebrochenes Bein mit Ästen und Spagat zu schienen, kommt im zivilen Bereich eine Vakuummatratze zum Einsatz.“ Aber vieles funktioniert gleich, etwa die Reanimation. Alle üben die korrekte Herzmassage und Beatmung an der Puppe.

 

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